Von den vielen Bärenreiter-Publikationen in meiner Partiturensammlung liegt jetzt – als Vorabdruck – die neueste vor mir: Paul Prévosts demnächst erscheinende Neuausgabe von Bizets Carmen in seinen drei Opéra comique Fassungen (1874, 1874-75, 1875). Diese drei Fassungen sind absolut gleichwertig, auch wenn 1874 Carmens Auftrittsarie noch nicht die berühmte Habanera war, die Bizet erst später einer fremden Komposition entlehnen sollte, sondern zunächst noch ein vom Komponisten selbstständig erfundenes Musikstück. Die neue Carmen-Ausgabe ist eine musikwissenschaftliche Glanzleistung, die in ihrer Objektivität uns, ausführende Musiker, zu subjektiven Interpretationen einlädt, weil sie mit großer Liebe gemacht ist – ganz in der Linie der anderen Bärenreiter-Ausgaben.
Der Mut des Verlages, auch (Gesamt-) Editionen von Komponisten herauszubringen, die noch immer viel zu selten gespielt werden – ich denke an Cavalli und Telemann –, weil sie im Schatten von heiliggesprochenen Genies stehen, kann nie zu hoch gelobt werden.
Auf weitere hundert Jahre!
René Jacobs
Dirigent