Bärenreiter-Bezüge? – da werde ich als Prahler verdächtig! Die zeitliche Spanne erreicht demnächst 80 Jahre – zwischen des Zehnjährigen Umgang mit den geliebten, längst zerfledderten Bänden “Gesellige Zeit”, “Geselliges Chorbuch” bis zur Einladung der Verlegerfamilie gelegentlich eines Konzertes im Juni 2022. Nicht zu reden von einer anderen Spanne – zwischen institutionsbedingten Kontakten (11 Bücher, etliche Beiträge in Sammelpublikationen) und erwärmend persönlichen.

Daß die Verantwortlichen des Verlages sich nicht nur nahe des Eisernen Vorhangs, sondern fast unter ihm wohnen wußten, hat DDRlern viel bedeutet: Als es in den 50er Jahren möglich war, hat Karl Vötterle eine auf Renaissance-Musik eingeschworene Weimarer Studentengruppe eingeladen; später gab‘s Anfragen zur Übernahme von MGG-Artikeln, Begegnungen bei Kongressen, u.a. 1970 in Brünn, wo ich den Chef wiedertraf und mit ihm das beginnende Glück der Erben besichtigen konnte. Das alles ging weit hinaus über beiderseitige, oft listig-umwegig aufrechterhaltene Verlagsinteressen zwischen Kassel und Leipzig; ein Geschenk von drüben, die Gesamtausgabe der Mozart-Briefe, behauptet auf meinen Regalen einen Ehrenplatz.

Nachdem ich “gezwungen war, die DDR freiwillig zu verlassen”, konnte vieles zuvor Erhoffte eingelöst werden, sei es in Konzerten, u. a. bei den Kasseler Musiktagen, dem “Ring” in der Oper, bei Einladungen in die Heinrich-Schütz-Allee, Verständigungen mit einem Traum-Lektorat, für deren Beschreibung angemessene Superlative fehlen – über Bücher, die wenig Aussicht haben, in Bahnhofsbuchhandlungen auszuliegen.

Denke ich an Bärenreiter, so nie ohne Hintergrund einer Mixtur von an Familiarität grenzender Freundschaft, Engagement, Verschwörung im Interesse gemeinsamer, wichtiger Anliegen.

Dank!

Peter Gülke  

Dirigent, Musikwissenschaftler und-schriftsteller
Ernst von Siemens Musikpreis, 2014
Aufnahme in den Orden Pour le mérite, 2022